Mit einer Gruppenausstellung unter dem Titel HYSTERIA (Gebärmutter wandert im Körper der nicht ausreichend besamten Frau umher und beißt sich schließlich im Gehirn fest) hat Der Strich im Oktober 2008 seinen Willen bekundet, geradeaus in die peinliche Frauenecke zu gehen.
Schauplatz ist die Tegeler Straße in Berlin-Wedding. Draußen fahren Züge auf Augenhöhe vorbei wie an billigen Bahnhofshotels. An der nächsten Kreuzung ist ein echter, armer Straßenstrich. Als gebildete, weiße, privilegierte Frauen nennen wir die Situation im Kunstmarkt wie im Leben beim Namen – Der Strich.
Den Männern gefällt unser modernes Frauenbild. Neuerdings sind wir wieder gute Hausfrauen und Mütter. Aber auch schön und sexy dabei. Dafür scheuen wir keine Kosten und Mühen. Das notwendige Geld verdienen wir selbst. Erst hatten wir Schwierigkeiten, als überqualifizierte Frauen adäquate Männer zu finden. Heute finden uns die klugen, schönen, feinfühligen Männer gut.
Durch die Errungenschaften der Emanzipation ist das männliche Persönlichkeitskorsett weiter geworden. Die Schemen ihrer Lebensmodelle weitgefächerter, der Freiraum größer. Nach wie vor ist der öffentliche Raum mit weiblichen Attributen sexualisiert – das kapitalistische Ornament schlechthin. Wir sind Pro-Porno und strengen uns einfach mehr an, Heilige und Hure zugleich zu sein. Für uns Alpha-Frauen gibt es nur den Königsweg.
Unsere Vorgängergeneration hat sich nach der strengen Lehre teils dem Gebären verweigert oder lebte die lesbische Liebe. Diese Mann-Frauen sind für das Aussterben der Kinder in Deutschland verantwortlich. Kim Gordons Mutterschaft war ein Skandal, Jutta Koether interviewte sie zu dem Verrat. Heute wird Kinderkriegen sehr gefördert und begrüßt. Der Staat, die Medien und die Männer erbringen ein neues großes Engagement für den Nachwuchs. Wir Frauen mit Kinderwunsch verleugnen uns zunächst. Wenn es doch passiert, sind wir in einer Sonderrolle, die unser Frausein, eventuell plus Migrationshintergrund oder Behinderung, steigert.
Wenn wir alt geworden sind und dann noch gut aussehen, posieren wir für eine Kampagne, dass Sexyness im Alter möglich ist. Sofern wir eine Karriere gemacht haben, fördern wir in künstlich konstruierten, aus öffentlicher oder privater Initiative gespeisten Programmen den weiblichen Nachwuchs. Unsere Lieblinge sind junge Männer, die wir informell hätscheln und bevorzugen. Als Bienenköniginnen schließen wir uns eher nicht zusammen.
Die Gruppenausstellung HYSTERIA war ein erster Versuch einer gemeinsamen Sache. Bei der Arbeit machten wir Erfahrung mit der Schere Theorie und Praxis. Wieso möchte eine eingeladene Künstlerin lieber nicht ihrer Karriere schaden durch ein Frauenprojekt? Wieso verhalten wir beteiligten Frauen uns nicht uneingeschränkt liebenswert und solidarisch? Ist das biologisch, kulturell, politisch, sozial bedingt? Scheitern wir daran, dass wir das in Krieg und Fußball erprobte Modell der männlichen Kameradschaft kopieren wollen – aber Hennen sind? Zumal wenn Männer ins Spiel kommen?
Tatsächlich war HYSTERIA ein großer Erfolg. Als Geschenk an die Gäste hatten wir Stripperinnen eingeladen. Sie freuten sich sehr über die Aufnahme in den Kunstkontext, traten uns vollkommen devot gegenüber, waren zu allem bereit, es uns recht zu machen. Am Ende kam heraus, unsere Tänzerin hat in Weißrussland Kunstwissenschaften studiert. Wir haben sie als Objekt eingesetzt, auch selbst sind wir sehenswerte Vertreterinnen imaginierter Weiblichkeit.
Der Strich plant weitere Ausstellungen. Wo stehen wir heute? Wieso gibt es die vielbesungene Frauensolidarität erst einmal gar nicht? Und wenn nicht, was gibt es dann? Wie sehen zeitgenössische Positionen einer Rosemarie Trockel, einer Annie Sprinkle aus? Wie verhalten sich dazu Gruppen wie Kimberly Clark oder Häppi Töle? Wie sieht Katerina Gregos das?
Diederichsens Begriff des Eigenblutdopings trifft ziemlich genau, was wir hier tun – im Leben wie in der Kunst. Zumal sich da die Ränder auflösen. Wie kann ein Feminismus 3.0 aussehen? Welche Kunst kann hier gezeigt werden?
(Courtesy of Bernadette Werrelmann)